Schwindelbeschwerden sind vielfältig und häufig. Sie machen gut die Hälfte der Beschwerden aus, die Menschen zum Allgemeinarzt führen. In neurologischen Facharztpraxen rangieren Schwindelbeschwerden an 3. Stelle. Wenn man genau unterscheidet, können bis zu 386 mögliche Ursachen für Schwindel beschrieben werden.
Dabei ist der Schwindel der Ausdruck einer Orientierungsstörung des Menschen im Raum. Meist geht der Schwindel mit "vegetativen" Begleiterscheinungen wie Übelkeit, manchmal Erbrechen und Herzklopfen einher. Dies kann unter besonderen Bedingungen bei ganz gesunden Menschen vorkommen (Seekrankheit, Reisekrankheit, Höhenschwindel). Meistens ist der Schwindel aber - ähnlich wie der Schmerz - ein Alarmzeichen für eine Erkrankung, die der Abklärung bedarf. Dies können in einfachen Fällen auf der körperlichen Ebene z. B. relativ harmlose Blutdruckschwankungen sein. In schweren Fällen aber können sich - zum Glück sehr viel seltener - auch Tumorerkrankungen verbergen. Glücklicherweise sind die meisten Schwindelformen gutartig und lassen sich erfolgreich behandeln.
Außer der körperlichen Ebene sind aber noch zwei andere Dimensionen betroffen: die seelische Ebene und die soziale und moralische. So tritt Schwindel bei vielen seelischen und manchen psychiatrischen Erkrankungen auf. Dies gilt insbesondere dann, wenn dabei hohe Anteile an - meist unbewußten - Ängsten und Depressionen vorliegen. Aber auch beim aktiven Erzählen der Unwahrheit wird geschwindelt und dies oft auch körperlich und seelisch erlebt!
So ergeben sich in der gleichen Wortbedeutung drei verschiedene Möglichkeiten:
1. Ein körperlicher Vorgang
2. Ein gefühltes Erleben
3. Ein sozialer Tatbestand, z. B. des Betrügens.
So kann Schwindel nicht nur den körperlichen, sondern auch den seelischen und den moralischen Verlust des Gleichgewichts ausdrücken.
Dies könnte verständlich machen, warum bei Schwindelerkrankungen oft vielfältige "rational" erst einmal nicht zu verstehende Gefühle ausgelöst werden, sowohl bei den Betroffenen wie bei den Behandlern! Diese Gefühle reichen von Unsicherheit und Hilflosigkeit über Beschützergefühle bis hin zu Ärger.
Dies gilt insbesondere dann, wenn körperliche Ursachen nicht klar erkennbar sind und seelische Anteile mit das Krankheitsbild bestimmen. Die Folgen sind, daß sich Therapeuten nur selten sicher sind und zeigen und sich darüber hinaus auch beschwindelt fühlen können. Gleichzeitig spüren sie aber trotzdem die Erwartungshaltung der Patienten und meistens auch den eigenen Anspruch, kompetente und wirksame Maßnahmen durchführen zu wollen. So ist die Tendenz groß, sich isoliert zum eigenen Fachgebiet zu äußern und dort oft "Nichts zu finden", jedenfalls nichts, zu dem sie etwas sagen können. Dann wird oft an die "angrenzenden", übergreifenden oder an die "besser spezialisierten" Kollegen der Neurologie, der HNO-Heilkunde, der Orthopädie und der Inneren Medizin, aber auch der Psychiatrie verwiesen. Dabei durchlaufen Schwindelpatienten der etwas komplexeren Art nicht nur eine Odyssee an Arztbesuchen, sondern enden nicht selten in - den wenigen - Spezialzentren. Spätestens dann hat sich das Symptom meist von seinen Ursachen mehr oder weniger frei machen können und sich verselbständigt: aus dem Schwindel beim Patienten ist ein Schwindelpatient geworden.
So ist es wichtig, auch selbst so früh wie möglich und soviel wie möglich von seinem eigenen Schwindel zu verstehen.
Eine für den Betroffenen nachvollziehbare Aufklärung ist dabei
die Grundlage jeder guten Therapie.
Diese sollte im Idealfall körperliche
und seelische Anteile angemessen berücksichtigen.
Dieser Beitrag möchte dazu Hilfestellung bieten, indem es die Grundlagen des Gleichgewichts und des Krankheitsbild in seinen vielfältigen Facetten darstellt.
Es kann aber eine ärztliche Untersuchung und Beratung nicht ersetzen, aber es sollen sinnvolle Therapie- und Handlungsmöglichkeiten (aber auch die Grenzen der Therapie) erkennbar werden.
Unser Gleichgewichtssystem stützt sich auf vielfältige Nervenverschaltungen mit Anteilen
Nicht zuletzt sind wir Menschen in der Lage, einige der vielen Gleichgewichtseindrücke bewußt zu machen, zu erleben und zu ändern.
Meistens reagiert gerade beim Symptom Schwindel das ganze "System" Mensch mit Körper, Seele und Geist in und mit seiner Umgebung. Sicher ist, daß sich bei einem häufigerem Schwindel oder gar Anfallsgeschehen der Schwindel nicht nur auf das Brechzentrum, die Augen und die Muskelaktivitäten auswirken kann, sondern auf das Befinden des ganzen Menschen. Schwindel-Anfälle können das bisher selbstverständlich Geglaubte gründlich durcheinanderwirbeln und rufen wohl deshalb nicht selten Todes- und Vernichtungsängste hervor.
Der Psychosomatiker Victor von Weizsäcker, der selbst an einer anfallsartigen Schwindelerkrankung litt, bezeichnete daher 1967 den Schwindel trefflich als ein "urkrankhaftes Symptom".
Es ist direkt einleuchtend, daß Schäden, Behinderungen oder Fehlfunktionen an einem oder beiden Gleichgewichtsorganen zu Gleichgewichtsstörungen führen müssen, die sich dann als Schwindel bemerkbar machen. Dabei stellt sich dieser Schwindel meist sehr deutlich als Drehschwindel dar und geht in der Regel auch mit den heftigsten Schwindel-Empfindungen einher. Er zeigt für die Zeit des Schwindels schnelle Augenbewegungen, einen sog. Nystagmus. Dies führt typischerweise zu einer sich drehenden Welt, meist verbunden mit Übelkeit, oft auch Erbrechen und - verständlicherweise - Angst.
Beginnen wir mit dem häufigsten organischen Schwindel, dem sog.
gutartigen Lagerungsschwindel.
Typisch sind kurze Drehschwindelattacken mit spezifischen Augenzitterbewegungen
(Nystagmen) nach bestimmten Kopfbewegungen, aber auch beim Bücken oder
Hinlegen. Diese halten kaum länger als 30 Sekunden an. Meist vergehen
nach der Lageänderung einige Sekunden, bevor der Schwindel einsetzt.
Manchen wird dabei übel, einige müssen sogar erbrechen. Zwischen
den Attacken kann eine leichte Gangunsicherheit bestehen.
Betroffen sind überwiegend Patienten in der zweiten Lebenshälfte.
In spezialisierten Schwindelambulanzen macht er etwa ein Drittel der Diagnosen
aus.
Der akute einseitige Gleichgewichtsausfall
Einmalig, schlagartig, mehrere Tage, langsame Erholung
Wenn ein komplettes Gleichgewichtsorgan ausfällt, kann es aus völligem
Wohlbefinden heraus schlagartig zu einem für mehrere Tage andauernden,
heftigen Drehschwindel kommen. Im Gegensatz zum Lagerungsschwindel ist
der Gleichgewichtsausfall zwar nicht durch Kopfbewegungen verursacht, dennoch
verstärkt jede Kopfbewegung die Symptome.
Das Schwindelgefühl und
die Fallneigung klingen in der Regel innerhalb von Tagen deutlich ab, eine
vollständige Ausheilung oder - wenn diese ausbleibt, eine Gewöhnung
an die neuen Umstände, dauert meist über 1-2 Wochen.
Ursachen können Verletzungen oder vorübergehende
Durchblutungsstörungen des Innenohres sein. Weitere Ursachen können
aber auch Infektionen mit sogenannten "neurotropen" Viren sein. Dazu
gehören Mumps-, Herpes Zoster-, Masern-, Influenza-, Adeno- Viren. Diese
befallen, mit besonderer Vorliebe Nerven und dann eben auch den Hör
und Gleichgewichtsnerv. Dabei kann auch - übergreifend - das Hörorgan
betroffen sein. Dann kommen zum Schwindel ein mehr oder weniger deutlicher
Hörverlust und oft auch Ohrgeräusche hinzu.
Verlauf:
In der Regel bessern sich die Beschwerden nach Ausfall eines Gleichgewichtsorgans
innerhalb von Tagen und verschwinden meist nach 2-3 Wochen vollständig
und dauerhaft. Beschleunigen kann dies ein gezieltes Gleichgewichtstraining.
Im akuten Anfall können schwindeldämpfende Medikamente wie etwa
Dimenhydrinat, z.B. Vomex sinnvoll sein, um den Schwindel zu unterdrücken
und die Schädigungsphase zu überstehen.
Ab dem zweiten oder dritten Tag sollten diese nicht mehr eingenommen werden,
da sie dann den Ausgleich durch das verbliebene oder gesundende
Gleichgewichtssystem behindern.
Die Besserung erfolgt dabei entweder in dem das erkrankte Gleichgewichtsorgan
oder der Nerv sich nach Abklingen der Entzündung wieder erholt. Das
Innenohr kann komplett ausheilen.
Selbst wenn ein Gleichgewichtsorgan dauerhaft beschädigt bleibt, kann
das andere im Verbund mit den anderen Komponenten des Gleichgewichtssystem
dessen Funktionen weitestgehend übernehmen.
Die beste und wirksamste Therapie besteht in aufeinander aufbauenden
Gleichgewichtsübungen,
die mit einfachen übungen schon im Bett begonnen werden können.
Der "gutartige"
Lagerungsschwindel: Kurz, heftig, oft fehl - diagnostiziert, aber gut therapierbar !!!
Er ist in aller Regel besser therapierbarer als jeder andere Schwindel, da
die Ursache innerhalb weniger Minuten beseitigt werden kann
(weiter s. Lagerungsschwindel).
Der Schwindel ist verbunden mit Übelkeit
und Erbrechen sowie Fallneigung im Sitzen und Stehen zur Seite des betroffenen
Ohres.
Der Kranke ist schwer beeinträchtigt. Die Betroffenen können sich
nicht mehr bewegen und werden dementsprechend auch meist als Notfall ins
Krankenhaus eingeliefert.
Wegen des Augenzitterns entsteht für den Patienten das Gefühl,
daß sich die Umwelt dreht.
Was bleiben kann ist die Angst
Auch wenn alles dafür spricht, daß man eher im Lotto gewinnt als
- im Rahmen dieses Krankheitsbildes - einen erneuten Gleichgewichtsausfall
zu erleben, kann dieser so erschütternd und existentiell bedrohlich
erlebt werden, daß sämtliche bisher bekannte oder vermutete
Lebenssicherheiten als schwindend und schwindelnd bedroht und gefährdet
erlebt werden können.
Dann wird der dabei erlebte Schwindel oft als
Morbus Meniere
verkannt und führt dann
zu unnötiger Angst und Lebenseinschränkung,
was die Schwindelempfindungen verstärken kann.
Hier kann dann über eine gute Aufklärung, ein intensives Gleichgewichtstraining und oft eine psychologische Behandlung weiterhelfen.
Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte für die Vermutung, dass selbst bei diesem so klaren organischen Schaden psychosomatische Gesichtspunkte in der Vorphase eine wichtige Rolle spielen können.
Dies scheint insbesondere bei den Patienten der Fall, die ihr Leben bisher in sehr geordneten Bahnen organisiert hatten.
Wie im Märchen "Von dem, der auszog, das Fürchten zu lernen", schienen sie keine Angst vor gar nichts gehabt zu haben bis sie durch die am eigenen Körper erlebte Schwindelattacke auf lange Zeit erschüttert wurden.
Die Menieresche Erkrankung -
Morbus Meniere
Beim M. Meniere ist das Gleichgewichtsorgan
zusammen
mit dem Hörorgan betroffen.
Der Dreh-Schwindel tritt typischerweise
anfallsweise auf.
Er variiert von mindestens 10, eher 20 minütigen
Anfällen
bis zu stundenlangen schweren Drehschwindelattacken mit
heftigem Erbrechen.
Betroffen sind schätzungsweise 0,1% der
bundesdeutschen Bevölkerung
(siehe
Morbus Meniere ).
Ein Hörschaden - ohne Schwindel !!!
Schwankendes Hörvermögen mit Tieftontinnitus
Ein meist brummender, dröhnender tiefer Tinnitus, der oft verbunden ist mit wiederholten Hörschwankungen im Tieftonbereich, stellt eine relativ häufige Erkrankung des Innenohrs dar. In vielen Fällen tritt diese mit einem Druck- oder Wattegefühl auf dem betroffenen Ohr auf. Manchmal gesellen sich auch Mißempfindungen bei der gleichen Gesichtshälfte hinzu.
Diese Sonderform des Tinnitus- und Hörgeschehens wird vielfach als Vorstufe zum Morbus Menière verkannt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß es sich um ein von anderen Tinnitus Erkrankungen abgrenzbares, eigenständiges Krankheitsbild (cochleäres Endolymphgeschehen) handelt. Dabei liegen im Prinzip - offensichtlich begrenzt auf den Höranteil - Mechanismen vor, die zu einem unausgeglichenen An- und Abtransport der Endolymphe führen können. Dies ist - im Normbereich - sicher bei jedem der Fall, Menschen funktionieren ja nicht wie Maschinen. Wahrscheinlich reagiert das entwicklungsgeschichtlich jüngere Hörorgan sehr viel feinfühliger auch auf kleinere Veränderungen, während das sehr viel ältere Gleichgewichtsorgan wohl weit mehr Schwankungen ausgleichen kann.
Die Migräne - eine (sehr) häufige Ursache wiederholter Schwindelbeschwerden
Viele werden sich wundern, weswegen die Migräne unter "Schwindel" zu finden ist. So ist auch kennzeichnend für eine Migräne sind in der Regel Attacken mit halbseitigen, manchmal auch beidseitigen Kopfschmerzen.
Aber viele Migräne Patienten geben auch Schwindel als gelegentlichen
oder häufigen Begleiter ihrer Kopfschmerzen an.
Wahrscheinlich stellt die Migräne nach dem Gutartigen Lagerungsschwindel und etwa genau so häufig wie der Psychogene Schwindel einer der drei häufigsten Schwindelformen dar, wobei sie oft mit dem M. Meniere verwechselt wird.
Dabei kann der Schwindel
in drei Varianten auftreten:
als Drehschwindel,
als Lageschwindel oder
als diffuser Schwindel ohne Bewegungserscheinungen.
Der Drehschwindel und der Lageschwindel gehen wahrscheinlich auf eine Durchblutungsstörung im Hirnstamms zurück. Der diffuse Schwindel äußert sich als Benommenheit, manchmal auch als Unfähigkeit, klar zu denken. Der Schwindel kann, so berichten die Betroffenen, einige Stunden anhalten, manchmal überdauert er sogar die Kopfschmerzen einige Tage oder gar Wochen.
Der Seelische Schwindel
Auch die Seele und die damit verbundenen oder sie bedingenden Gefühle
von Lust und Unlust hat ihr eigenes Gleichgewicht. Dies wird spätestens
deutlich, wenn sich in Depressionen, nicht kontrollierbaren Ängsten,
Zwängen und/oder psychosomatischen Erkrankungen ihr Unwohlsein oder
gar ihre Vernachlässigung zeigt.
Der "Schwindel der Seele" spielt sich überwiegend auf der Empfindungsebene in der emotionalen Welt des betroffenen Patienten ab.
Der Schwindelzustand entsteht angesichts von für das Individuum unbegreiflichen,
"verwirrenden" Affekten mit dem zentralen Element der Angst.
Dabei kann Angst reaktiv einer organischen Erkrankung folgen oder
gar ursächlich für das Gefühl des Schwindens und des Schwindels sein.
Der psychisch verursachte Schwindel kann als einziges Symptom empfunden werden oder verbunden mit anderen,
Symptomen wie Schweissausbrüchen, Mundtrockenheit, Herzrasen,
Engegefühl, Atemnot und Leeregefühl im Kopf, auftreten.
Oft wird ein Schwankschwindel oder ein diffuser Schwindel ("wie betrunken", Gehen wie auf Schaumstoff etc.) beschrieben.
Prinzipiell können aber alle Schwindelqualitäten, d. h. auch ein Drehschwindel
mit subjektiver Fallneigung, psychisch bedingt sein.
Meist findet sich - aus dem eigen Erleben oder aus den emotionalen Umfeld Umfeld - ein Modell, das die körperlich empfundenen Symptome verstehen lässt.
Für die psychische Diamension ist zusätzlich die Kenntnis der seelischen Erkrankungen, vor allem der Angst- und Depressionenserkrankungen, hilfreich.
Die psychogenen Schwindel-Empfindungen sind dabei für die Betroffenen sehr real und keineswegs eingebildet.
Der seelische Schwindel macht mit mindestens etwa 30% aller Schwindelformen einen beträchtlichen Anteil aus, der aber oft verkannt wird.
Betroffene schildern dies oft so: Man sei taumelig, nicht standfest, wackelig, aneckend, wirr im Kopf, hätte ein dröhnendes Gefühl und Angst, oft sehr viel Angst. Ganze Tage seien nun "Menière Tage". In bestimmten Situationen kann dieses Gefühl, verbunden mit Angst und Panik, dann erlebt werden wie ein Innenohr-bedingter Menière Anfall, obwohl kein Augenzittern eintritt und der Menière- und Seelen-Kranke stehen kann.
Der Wirkmechanismus der
für Betroffene und oft auch für Behandler - unvorstellbaren
Schwindelerlebnisse ist in vielen Fällen dennoch gut erklärbar.
So ist der Schwindel meist
von heftigen Gefühlen und vegetativen Symptomen
wie Schweiß, Blutdruckveränderungen, Herzklopfen usw. begleitet.
Natürlich finden diese nicht in einem isolierten luftleeren Raum statt, sondern bei gewissen "Begleitumstände", die dem Anfall vorausgingen oder in denen der Anfall stattfand.
1. Schritt:
während:
2. Schritt: Klassische Konditionierung
Bei entsprechender Sensibilität, die sicher für jeden Menschen unterschiedlich ist, können dann diese Begleitumstände oder Teile davon vollkommen unbewußt die gleichen Symptome auslösen wie ein organisch bedingter Menière Anfall.
Diese Begleitumstände sind oft:
sowie die "vegetativen" Symptome wie Schweiß, Blutdruckveränderungen, Herzklopfen usw. können genau so wie bei einem Menière Anfall erlebt werden.
Im Gefolge können dann auch noch die auslösenden Reize immer unspezifischer werden. Dann können schon ähnliche Situationen oder Phänomene zum Auslöser der Schwindel-Empfindungen führen, ein Vorgang, der als Reizgeneralisierung bezeichnet wird.
Hinzu kommt noch ein weiteres Phänomen. Auch die bei Schwindelanfällen fast schon natürlich auftretende Angst kann selbst wiederum wie Schwinden und Schwindel empfunden werden. Dies kann einen dauerhaften Prozeß des Angst-Schwindels und der Schwindel-Angst einleiten.
Wenn dies ohne therapeutische Hilfe möglicherweise zu einer immer weiteren Einengung sowie zur sozialen Isolierung führt, können weitere psychogene Folgeprobleme auftreten, die selbst wieder zu Angst und Schwindel führen können.
Dabei ist es wichtig zu wissen, daß diese Mechanismen überwiegend unbewußt verlaufen und für die Betroffenen und meist für die Umgebung auch oft "ungeheuerlich" in der Wirkung und im Verstehen sind.
Diagnostik
Die Krankengeschichte ist bei Schwindelerkrankungen die wichtigste Grundlage
überhaupt.
Sie führt - zusammen mit grundlegenenden HNO Untersuchungen - in bis zu 90 % der Fälle schon zur
Diagnose. Dabei spielt die Art und Weise und der zeitliche Verlauf eine wichtige
Rolle. Im Idealfall werden dabei körperliche und seelische Momente deutlich.
Leider sprengt ein solch zeitlich aufwendiges Vorgehen meist den Zeitrahmen
in der Praxis. Es ist aber ein Anliegen, dem sich unsere Klinik
grundsätzlich angenommen hat.
Diesen Fragen sollte sich eine allgemeine körperliche Untersuchung mit Überprüfung des Herz-Kreislauf-Systems anschließen. Bei Verdacht auf Prozesse im Zentralnervensystem kann eine Spezial-Röntgenuntersuchung des Kopfes (Computer-Tomo-Gramme oder Kernspin-Untersuchung) insbesondere Tumor-Erkrankungen oder eine Multiple Sklerose ausschließen.
Die Psychosomatische Befunderhebung - Psychologische Diagnostik
Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten und Psychosomatiker suchen - mit Ihnen! - über den organischen Befund hinaus nach der Bedeutung, aber auch nach den Folgen der Krankheit für Sie und ihr Erleben.
Sie erforschen mit Ihnen, welche Situationen dazu führen, daß sich die Symptome verschlechtern oder verbessern. Sie hören nach den Gefühlen und Erinnerungen in solchen Situationen. Dies geschieht ambulant in einem sog. diagnostischen (Erst-) Interview, dem sich in der Regel weitere Probe-Stunden (sog. probatorische Sitzungen) anschließen. Gegebenfalls werden spezielle psychologische Fragebögen angewandt.
Oft ist die Unterscheidung zwischen einem organischen Schwindel, etwa aus dem Innenohr, und dem Schwindel der Seele schwierig und bedarf des entsprechenden Wissens.
Therapie
Aufklärung und Beratung
Ziel: Klarheit und Zuversicht
Nach der genauen Diagnostik muß eine - für Sie verständliche und nachvollziehbare - Aufklärung erfolgen.
Dabei gilt es zu erkunden, was noch möglich ist, ohne aber in vermeintlicher Schonung eine Machbarkeit vorzutäuschen, die schnell enttäuscht wird.
Je besser die Erkrankung verstanden werden kann, um so mehr lebbare Möglichkeiten des Umgangs mit dem Schwindel können deutlich werden. Um so geringer sind auch die Folgeprobleme. Dies gilt insbesondere für eine von den Betroffenen oft nicht bemerkbare Angstentwicklung und für den seelischen Schwindel.
Daher muß das Ziel sein, den vom Schwindel Betroffenen Klarheit und Zuversicht zu vermitteln. Das gilt für die Schulmedizin und ist, um es hier schon vorweg zu nehmen, auch das wesentliche Wirk- Element der sog. Alternativmedizin.
Nötig ist hier von seiten des Mediziners ein verständnisvoller Zugang für das Wissensbedürfnis und die Not des Patienten.
Nur selten werden Operationen nötig und nur selten sind - allein - Medikamente sinnvoll. So geht es meistens um eine Anleitung und Hilfe zur Selbsthilfe.
Gleichgewichtsübungen
Gleichgewichtsübungen sind ein wichtiger Schritt zur Erhaltung und zur Wiedergewinnung
von Sicherheit in der Bewegung und der "Haltung" im weitesten Sinne.
Dies gilt auch für "psychogene" Schwindelzustände!
Geachtet werden soll dabei auf die Körperwahrnehmung und die Schulung,
insbesondere der Körpereigenfühler und der Augen.
Ich möchte auf den
"klassischen" übungsablauf
von Cawthorne u. Friedmann (1969) und Cooksey (1946)
hinweisen,
auf denen letztlich die meisten Gleichgewichtsübungen aufbauen.
Im Prinzip ähnliche übungen werden - meist anschaulich bebildert - auch von vielen Krankenkassen angeboten.
Sind Medikamente sinnvoll gegen Schwindel???
Sinnvoll sind schwindelunterdrückende Medikamente (Antivertiginosa) bei akuten, zeitlich begrenzten Schwindelattacken. Dies gilt für das Anfangsstadium des akuten Gleichgewichtsausfalls oder im Anfall bei der Menièreschen Erkrankung. Aber sie sollten nie länger als 1-2 Tage eingenommen werden, da sie dann wiederum den Kompensationssprozeß des Gleichgewichtssystem hemmen.
Eine Reisekrankheit läßt sich unterdrücken, in dem letztendlich zentrale Wahrnehmungsfunktionen gedämpft werden. In diesem Sinne ist natürlich eine Prophylaxe für ein bestimmtes Ereignis möglich. Allerdings wird dies mit Müdigkeit, Mundtrockenheit, möglicherweise auch des verschwommenen Sehen und Harnverhaltes erkauft.
Möglicherweise können einige neuere Medikamente bei Migräne-Attacken, die mit Schwindel einhergehen, über einen Anfall hinaus helfen, wobei es auch hier keine generelle Lösung gibt und erst noch weitere Erfahrungen gemacht werden müssen.
Ansonsten gibt es zur Vorbeugung von Schwindel keine Medikamente, die bisher den Nachweis erbringen konnten, daß sie tatsächlich mehr als Placebos wirken. Ein Placebo ist ein Medikament, das keinen wirksam Inhaltsstoff besitzt.
Dennoch feiert die Substanzklasse der "Betahistine" gute Verkaufserfolge. Beim Menschen gibt es- trotz langjähriger Anwendung - keine Studie, die eine Überlegenheit von Medikamenten gegenüber Placebos zeigt.
Dennoch werden sie zahlreich verordnet, da sie zumindestens Patient und Arzt das Gefühl geben, etwas getan zu haben. Das erfreulichste dabei dürfte noch sein, daß wahrscheinlich auch keine großartigen Nebenwirkungen zu erwarten sind. Wirksam ist wahrscheinlich, daß die Maßnahme Zuversicht und Hoffnung auslöst, was letztendlich dazu beiträgt, wieder selber auf die Beine zu kommen. Das gleiche dürfte auch für die sogenannten "Durchblutungsmittel" gelten, sei es nun das pflanzliche Ginko, Tebonin oder die chemischen "Nootropica".
Vollkommen überflüssig sind sie bei der Behandlung des Lageschwindels oder bei chronischen Schwindelformen.
Psychopharmaka
Ohne Zweifel können Psychopharmaka dazu beitragen, das Elend auszuhalten und die Symptome zu unterdrücken. Kaum abzuschätzen ist hingegen, wie viele Patienten, meist mit valiumähnlichen Mitteln schlecht bedacht oder gar leichtfertig in eine Sucht geschickt werden. So sind Vorsicht und Zweifel vor allem vor Schlaf- und Beruhigungsmitteln angebracht und notwendig.Teilweise erschwert diese zu Recht in Verruf gekommene Praxis, ausgerechnet dann die Nutzung der Psychopharmaka, wenn sie nötig werden.Psychopharmaka sollten aber keinesfalls gegen den - organisch bedingten - Schwindel oder die Angst vor dem Schwindel eingesetzt werden. Dies verhindert therapeutische Veränderungen. So verlangt die Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen nicht nur eine umfassende Kenntnis und Erfahrung. Sie benötigt auch, noch mehr als sonst in der Medizin, ein Gespür für die Zweifel und Ängste der Kranken. Psychopharmaka können insbesondere Symptome und psychische Störungen wie Angst, Depressivität, aber auch Halluzinationen unterdrücken Sie können im günstigen Falle eine Wende im Krankheitsgeschehen einleiten aber, sie bekämpfen nicht die Krankheit selber: sie sind Krücken.
Damit - auch(!) davon - sinnvoller Gebrauch gemacht werden kann, sollte bei massiven seelischen Erkrankungen ein Facharzt für Psychiatrie aufgesucht werden.
Gewußt werden muß aber, daß die Pharmakotherapie keineswegs für jede psychische Störung ein spezifisch wirksames Medikament bereit hält. Sie hat nur ein grobes Instrumentarium zur Verfügung. So kann sie mit den sog. "Tranquilizern" Beruhigung erreichen. Mit antidepressiven Medikamenten kann eine Stimmungsaufhellung und Aktivierung eintreten. Sie machen etwas dickhäutiger gegenüber seelischen Verletzlichkeiten und geben mehr Stütze im Außen. Sie können als Stütze - dann durchaus sinnvoll sein. Manchmal sind Sie sogar nötig, um überhaupt erst therapeutisch in Kontakt kommen zu können. Neuroleptika können die quälenden Symptome der Verfolgungsangst, die seelischmotorische Erregung, Halluzinationen und im gewissen Umfang auch Denkstörungen bei Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis günstig beeinflussen.
So haben Psychopharmaka ihre Berechtigung als Hilfe, als Übergangsregelung und als Unterstützung anderer Maßnahmen. Dabei unterscheiden sich die dazu fachgerecht eingesetzten Medikamente in ihren Wirkstoffen deutlich von den Schlaf- oder Beruhigungsmitteln.
Psychotherapie
Beim Seelenschwindel ist die professionelle Therapie der Seele notwendig
Psychologische Maßnahmen müssen erwogen werden, wenn Krankheitsbewältigungsprobleme auftreten und die Lebens- und Berufsfähigkeit gefährdet ist. Psychotherapeutische Hilfe ist insbesondere notwendig, wenn sich ein psychogener Schwindel einstellt.
Dabei sollte der Psychotherapeut bei Schwindel Erkrankungen auch organisch - zumindest grob - Bescheid wissen - und - das ist der Wunsch und die Anforderung an die nichtärztlichen Psychotherapeuten - nicht jeden Anfall als "psychogen" deuten.
Eine stationäre psychosomatische Behandlung stützt sich im Idealfall auf drei Säulen:
Eine medizinisch fundierte Aufklärung, gestützt auf eine umfassende medizinische Diagnostik
Eine Integrative Körperarbeit